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Die Anatomie des Aha-Erlebnisses

Meldung vom 23.01.2008 - Forscher beobachten, wie das Gefühl einer spontanen Problemlösung im Gehirn entsteht

Ein Aha-Erlebnis entsteht nur dann, wenn das Gehirn beim Nachdenken über ein Problem die richtigen Puzzleteile für die Lösung unbewusst zusammenfügt. Wird der Lösungsweg dagegen bewusst nachvollzogen, bleibt die plötzliche Einsicht meist aus. Das haben zwei Wiener Forscher entdeckt, als sie 21 Freiwillige Wortspiele lösen ließen und dabei die Hirnströme mit Hilfe eines EEGs aufzeichneten. Beide Strategien, die bewusste und die automatisch-unbewusste, drückten sich dabei durch so charakteristische Muster in den Hirnströmen aus, dass die Forscher nur anhand der aufgezeichneten Wellen vorhersagen konnten, ob später ein Aha-Erlebnis folgen würde oder nicht.

Aha-Erlebnisse entstehen in vier Stufen. Zu Beginn läuft das Gehirn beim Versuch, ein Problem zu lösen, sozusagen in eine mentale Sackgasse. Der aktuelle Lösungsweg führt nicht zum Ziel, und neue Informationen oder Interpretationen sind im Arbeitsspeicher weder verfügbar noch können sie mit dem aktuellen Denkkonzept erreicht werden. Sichtbar wird diese Sackgasse im EEG durch sehr hochfrequente Wellen, die im hinteren Bereich des Kopfes entstehen, beobachteten die Forscher. Sie gehen auf eine starke Konzentration der Aufmerksamkeit zurück, die sozusagen als Türsteher des Arbeitsspeichers die verfügbaren Informationen vorsortiert.

In dieser Situation greift Stufe zwei: Das Gehirn verlässt die Sackgasse und restrukturiert die verfügbaren Daten. Dabei entwirft es ein neues Konzept, für das entweder bereits früher abgespeicherte eigene Informationen oder Hinweise von außen verwendet werden. Im EEG erscheinen diese Schritte in Form von Wellen mit relativ niedrigen Frequenzen, die rechts hinter der Stirn entstehen. In dieser Phase gibt es zwei Varianten: eine zielgerichtete, in der der Proband jeden Schritt zur Lösung bewusst verfolgt, und eine automatische, in der er das Sammeln neuer Daten und ihre Kombination gar nicht bemerkt.

Beide Strategien führen weiter zu Stufe drei, dem tieferen Einblick in die Zusammenhänge und damit dem richtigen Weg zur Lösung. Phase vier, das eigentliche Aha-Erlebnis, tritt allerdings nur dann ein, wenn im zweiten Schritt die unbewusste Route verwendet wird, entdeckten die Forscher. Wurden die Probanden nämlich beispielsweise durch einen Hinweis dazu gezwungen, ihre Lösungsstrategie bewusst zu überdenken, erlebten sie sehr viel seltener Momente, in dem sie scheinbar spontan die richtige Lösung fanden. Die Aufmerksamkeit und das Bewusstsein werden demnach zwar benötigt, wie die Signale in Stufe eins zeigen, sie dürfen aber nicht zu sehr fokussiert sein, weil sie sonst den Übergang zu Phase zwei blockieren. Diese Ergebnisse sollen in Zukunft dabei helfen, bessere Lernstrategien zu entwickeln und die Kreativität zu fördern, so die Forscher.

Simone Sandkühler und Joydeep Bhattacharya (Medizinische Universität Wien): PLoS ONE, Bd. 3, Nr. 1, Artikel e1459

wissenschaft.de – Ilka Lehnen-Beyel




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