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Gesellschaft

Duzen oder Siezen? Nach wie vor steckt in dieser Frage viel kritisches Potenzial

Meldung vom 04.03.2008 - Unangenehme Überraschungen in der Anrede sind durch wechselnde Normen heute vorprogrammiert

Das Duzen durchlief von den Anfängen der deutschen Sprache bis heute verschiedene Stadien der Wertschätzung und Bedeutung. Wo sich früher alle duzten, taten das bald nur noch die niederen Ränge. Zwischenzeitlich sogar aus Familien verbannt, feierte das Du während der Studentenbewegung ein Comeback. Heute ist es überall zu finden und steht dabei nicht mehr nur für Nähe, Vertraulichkeit oder Herablassung, sondern drückt oft ein ganzes Lebensgefühl aus.

Auf gute Anrede folgt guter Bescheid, sagt schon ein deutsches Sprichwort. Was an und für sich ein guter und auf den ersten Blick simpel zu befolgender Ratschlag ist, kann sich in der Praxis als problematisch erweisen. Wo früher feste Regeln und Normen die korrekte Form der Titulierung vorgaben, ist der heutigen Generation mehr Spielraum gegeben – und gleichzeitig mehr Raum für Fehler. Wo das "Du" für den einen Nähe und Vertraulichkeit ausdrückt, hört der andere Herablassung und den Versuch der Dominanz. Dreißigjährige zum Beispiel fühlen sich eher geschmeichelt, wenn sie von Jüngeren geduzt werden, aber gönnerhaft behandelt, wenn dies Ältere tun. Wo also steht das Du heute im Gefühl der Deutschen?

Bis in die 60er Jahre hinein siezten sich schon 16- bis 17-Jährige gegenseitig als Zeichen ihres Status als junge Erwachsene. Mit den Studentenbewegungen Ende der 60er verschob sich die Altersgrenze dafür aber immer weiter nach hinten, erst zehn, dann 15 Jahre. Heute, hat der Linguist Leonhard Kretzenbacher von der Universität in Melbourne herausgefunden, gibt es überhaupt keine feste Grenze mehr: "Viel wichtiger als das absolute Alter ist bei der Anrede der Altersunterschied der beiden Gesprächspartner", erklärt er gegenüber ddp. "Er entscheidet über die Verwendung von "du" und "Sie" und darüber, ob sich die Menschen korrekt angesprochen fühlen."

Besonders viele (un)angenehme Überraschungen in der Anrede gebe es deshalb vorwiegend in der Altersgruppe zwischen 31 und 40 Jahren. "Dies ist ein Alter", so Kretzenbacher, "wo das Selbstbild und das Fremdbild in Bezug auf die eigene Jugendlichkeit prekär wird." Werden Dreißiger von Jüngeren gesiezt, werten sie das demnach meist nicht als ein Zeichen des Respekts, sondern eher als unwillkommene Anerkennung des eigenen "hohen" Alters.

"Man kann in einigen Situationen auch zu Anfang festlegen, als welcher Mensch man eingeführt werden möchte", erklärt Linguist Gerhard Augst, ehemals von der Universität Siegen. "Zieht man zum Beispiel in ein Dorf, kann man entweder einen auf Kumpel machen oder sich mit "Ich bin der Herr Professor" vorstellen. Einmal festgelegt, ist in diesem Fall später nichts mehr zu ändern."

In anderen Situationen könne die Anrede noch geändert werden, so Augst. Er empfiehlt, dafür unbedingt die erste Gelegenheit zu nutzen. In der Firma kann dies die Weihnachtsfeier sein, in der Nachbarschaft das erste Straßenfest. Gehe man nämlich nicht schnell genug vom Sie auf das Du über, so der Sprachwissenschaftler, steige der Druck, es beim Sie zu belassen. Irgendwann trete ein Gewohnheitseffekt ein und es werde immer befremdlicher, den Anderen mit Du anzusprechen.

Die alten Germanen wussten eben doch, warum sie sich gegenseitig nur duzten. Dieser Zustand der relativen Einfachheit hielt allerdings nur bis ins achte und neunte Jahrhundert nach Christus, wo für Höhergestellte die Anrede mit "Ihr" hinzukam. "Die Mehrzahl drückte Folgendes aus", erklärt Augst: "Du bist so hochgeschätzt, dass die Anrede als eine Person nicht ausreicht, um deinen Wert zu vermitteln."

Martin Luther zum Beispiel, so berichtet der Sprachwissenschaftler Armin Kohz in seinem Werk "Linguistische Aspekte des Anredeverhaltens", duzte seinen Sohn Hans, fühlte sich aber verpflichtet zum Ihrzen überzugehen, als dieser sein Magisterexamen bestand. Im 17. Jahrhundert entwickelte sich dann im sogenannten Erzen, bei dem Männer mit "Er" und Frauen mit "Sie" angesprochen wurden, eine dritte Form der Anrede. "Knechte", so Augst, "waren gesellschaftlich so niedrig, dass sie nicht einmal mit Du angeredet werden konnten."

Das Siezen schließlich verbreitete sich im 19. Jahrhundert, als die feudalherrschaftliche Gesellschaft demokratisiert und egalisiert wurde. Mehr als alles andere war es wahrscheinlich eine Kompromisslösung, da der Adel sich einerseits nicht duzen lassen wollte, das "Ihr" innerhalb der normalen Bürgerschaft aber auch nicht durchzusetzen war. Das gegenseitige Duzen war damit zu einem vorläufigen Ende gekommen. Erst die Studenten befreiten es in den 60er Jahren wieder aus dem familiären Umfeld und machten es wieder gesellschaftsfähig.

Heute gibt es, außer in sehr formellen Begegnungen, kaum noch Situationen, wo die Anrede über Wohl oder Wehe entscheidet. Eine Ausnahme hierzu hat Psychologe und Allgemeinmediziner Wolfgang Ladenbauer ausgemacht: Es gebe Situationen, wo das Siezen mitunter sehr wichtig sei. Der Vizepräsident des österreichischen Bergrettungsdienstes beschäftigte sich mit der psychologischen Ersten Hilfe bei Bergunfällen und stellte dabei fest, dass gegenseitiges Duzen zwischen Retter und Hilfsbedürftigem in vielen Fällen Vertrauen schafft, einige Frauen und vor allem junge Männer aber trotzdem lieber gesiezt werden wollten. "Bei jungen Männern ist die Autonomie eine wichtige Frage", erklärt Ladenbauer dieses Phänomen, "Verletzungen bedeuten aber einen Kontrollverlust und damit eine Beeinträchtigung der Autonomie." Durch Siezen stärke das Gegenüber in diesem Fall das angeknackste Selbstbewusstsein der jungen Erwachsenen.

Bücher:

Gerhard Augst: "Zur Syntax der Höflichkeit (Duzen – Ihrzen – Siezen als sozio- und pragmalinguistisches Phänomen)". In: "Sprachnorm und Sprachwandel. Vier Projekte zu diachroner Sprachbetrachtung", Aula-Verlag 1977, ISBN-10: 389104075X, 11,85 Euro.

Werner Besch: "Duzen, Siezen, Titulieren. Zur Anrede im Deutschen heute und gestern", Vandenhoeck & Ruprecht 1998, ISBN 3-525-34009-5, 10,90 Euro.

wissenschaft.de – Livia Rasche


Von Unruheständlern und Seniorstudenten

Meldung vom 01.03.2008 - Der gesellschaftliche Wandel lässt Deutschland nicht so alt aussehen wie befürchtet

Die alternde und schrumpfende Gesellschaft wird in Zukunft vor allem den Arbeitsmarkt vor Herausforderungen stellen. Allerdings werden sich einige Probleme von alleine lösen, glauben Experten: Ältere gut ausgebildete Arbeitnehmer erobern dank ihrer zum Teil überlegenen Fähigkeiten bestimmte Branchen zurück, während bildungshungrige Senioren andere Bereiche mit ehrenamtlichem Engagement abdecken. Und auch für das produzierende Gewerbe gibt es Lösungsansätze: Hier könnte mehr Abwechslung und Weiterbildung die körperliche Belastung der Mitarbeiter verringern, so dass sie ebenfalls bis ins Alter leistungsfähig bleiben.

Deutschland altert. Bereits im Jahr 2050 wird wohl jeder dritte der dann noch knapp 69 Millionen Deutschen älter als 65 Jahre sein. Bei vielen ruft dieser Wandel ein ungutes Gefühl hervor: Wenn so viele Menschen nicht mehr aktiv im Arbeitsleben stehen, so die bange Frage, wer soll dann deren Renten bezahlen? Wie kann die Wirtschaft wachsen, wenn die Gesellschaft schrumpft? Und wie soll man die Ausbildung junger Menschen finanzieren, wenn doch die Renten einen Großteil der Mittel verschlingen?

Die alternde Gesellschaft könnte tatsächlich zum Problem werden – jedenfalls dann, wenn Strukturen und Bedingungen so bleiben, wie sie heute sind. Doch das ist unwahrscheinlich, berichtet das Magazin "bild der wissenschaft" in seiner März-Ausgabe: Zusammen mit dem demografischen hat nämlich bereits ein gesellschaftlicher und struktureller Wandel begonnen, der sich weiter fortsetzen und in vielen Lebensbereichen für Entspannung sorgen wird.

Das gilt vor allem für den Arbeitsmarkt, wo sich der schon jetzt spürbare Fachkräftemangel weiter verschärfen wird. Doch was zuerst einmal nach einer Krise klingt, ist gleichzeitig eine Chance für ältere, gut ausgebildete Arbeitnehmer – und für die Arbeitgeber. Denn ältere Mitarbeiter sind keinesfalls reine Lückenbüßer, weiß etwa der schwäbische Unternehmer Otmar Fahrion aus eigener Erfahrung zu berichten: Er stellt in seinem auf die Planung von Fabriken spezialisierten Büro gezielt Ingenieure zwischen 50 und 65 Jahren ein, weil sie mit vielen Aufgaben besser zurechtkommen als jüngere.

Bei komplexen Projekten punkten sie etwa mit ihrer Erfahrung, und ihre reifere Persönlichkeit lässt sie schwierige Situationen gelassener angehen. Auch ihre Flexibilität steht der jüngerer Arbeitnehmer meist in nichts nach – im Gegenteil: Da sie Hausbau und Kindererziehung häufig bereits abgeschlossen haben, können sie sich voll auf die Arbeit konzentrieren und stehen auch bereitwillig für Auslandseinsätze zur Verfügung.

Dieses Potenzial könnte sogar noch intensiver genutzt werden, glauben Forscher wie James Vaupel, Direktor am Max-Planck-Institut für Demografische Forschung in Rostock. "Es wäre viel gewonnen, wenn die starre Dreiteilung aufgebrochen werden könnte, die das Lernen in der ersten Lebensphase, das Arbeiten in der Lebensmitte und die Freizeit in den späteren Jahren konzentriert", erklärt er. Er plädiert für eine Art Lebensarbeitszeitkonto, das von jedem einzelnen individuell gestaltet werden kann.

Wer etwa als junger, ungebundener Mensch bereits sehr viel Arbeitszeit "einzahlt", kann sich später eine Auszeit nehmen – oder aber im Alter früher aufhören zu arbeiten, ohne Abstriche bei der Rente machen zu müssen. Umgekehrt kann derjenige, der sich in jüngeren Jahren auf die Kinderbetreuung konzentriert hat, die fehlende Zeit im Alter nachleisten und braucht ebenfalls keine Einschnitte beim Altersruhegeld zu fürchten.

Dieses Modell kann allerdings nicht unbesehen für jede Branche übernommen werden. Probleme gibt es beispielsweise dort, wo harte körperliche Arbeit geleistet werden muss – etwa bei Bergleuten, Maurern oder Fließbandarbeitern. Viele von ihnen zeigen schon mit 50 Jahren so starke Verschleißerscheinungen, dass an ein erhöhtes Arbeitspensum im Alter überhaupt kein nicht zu denken ist.

Doch auch hier kann mehr Flexibilität helfen, glauben Experten. Der Autohersteller BMW testet momentan ein Modell, bei dem ein Team ein ganzes Fahrzeug montiert. Der Vorteil: Die Arbeit ist abwechslungsreicher und damit weniger belastend. "Wir empfehlen zudem, schon bei den jüngeren Arbeitern die Produktivität durch häufigen Wechsel der Belastungen und durch Weiterbildung zu erhalten. Dann können sie später auch anspruchsvollere Aufgaben bewältigen, die abwechslungsreicher sind", erklärt der Arbeitspsychologe Ekkehart Frieling von der Universität Kassel, der unter anderem das BMW-Modell untersucht.

Überhaupt wird Bildung in den kommenden Jahren eine immer größere Rolle spielen, glauben Forscher. Denn die "Alten der Zukunft" bekommen ein sehr viel höheres Bildungsniveau mit als die Generationen vor ihnen: Während in der heutigen Seniorengeneration nur jeder Zehnte das Abitur gemacht hat, sind es unter den Jahrgängen aus den Sechzigern bereits dreißig Prozent, Tendenz steigend. Damit einher geht ein wahrer Bildungshunger, der sich zum Beispiel bei den Volkshochschulen und den Universitäten bemerkbar macht.

Das hat wiederum einen interessanten Nebeneffekt, berichtet "bild der wissenschaft": Die von den älteren Studierenden mit Vorliebe belegten Fächer – Geschichte, Theologie und Kunstgeschichte – machen vielen Lust auf gesellschaftliches Engagement, nicht nur in den klassischen Bereichen, sondern auch in ganz neuen Feldern. In Heidelberg etwa betreuen studierende Senioren das Museum der Universität oder kümmern sich um ausländische Gastwissenschaftler. In Zukunft, davon sind Experten überzeugt, wird dieses noch kaum genutzte Potenzial eine der treibenden Kräfte der Gesellschaft werden – und die aktiven "Unruheständler" werden statt der befürchteten Last ein wertvoller Aktivposten.

Antonia Rötger: "Deutschland im Unruhestand", bild der wissenschaft 3/2008, S. 62

wissenschaft.de – Ilka Lehnen-Beyel


Die Weltkarte des Glücks

Meldung vom 02.02.2008 - In den westlichen Industriestaaten sind die Menschen laut neuer Forschung am glücklichsten

Auch wenn es der bekannten Redensart widerspricht, Geld allein mache nicht glücklich, zeigt die Glücksforschung jetzt: Mit dem Wohlstand eines Landes steigt auch die Lebenszufriedenheit seiner Bevölkerung. Am glücklichsten sind die Menschen in den westlichen Industrienationen. Neben dem Reichtum bestimmen dabei vor allem die persönliche Freiheit und die Möglichkeit, sein Leben selbst zu gestalten, den Glücksquotienten der Menschen.

Die glücklichsten Menschen auf der Welt leben in Dänemark. Und in der Schweiz. Aber auch in Österreich, Island und den Bahamas herrscht allgemeine Zufriedenheit. Knapp dahinter, im oberen Mittelfeld des Glücksrankings, finden sich die USA und – trotz des dort häufig und laut geäußerten Unmuts – Deutschland wieder. Schlecht fühlen sich die Menschen hingegen in vielen Ländern Afrikas und in Russland, Weißrussland und der Ukraine.

"Die Bewohner der entwickelten Industrienationen sind die glücklichsten Kreaturen, die je über die Oberfläche dieses Planeten gewandelt sind", bringt es der amerikanische Historiker Darrin McMahon in der Februarausgabe der Zeitschrift "bild der wissenschaft" auf den Punkt. Er stützt diese Aussage auf die aktuelle Glücksforschung, die dank nie zuvor verfügbarer Datenmengen neue und zum Teil völlig unerwartete Ergebnisse hervorgebracht hat.

Dazu gehört vor allem die Überlegenheit der wohlhabenden Länder im Glücksranking. Eigentlich galt unter den Erforschern des Glücks nämlich die These, Geld mache nicht glücklich. Zurück geht diese Behauptung auf das Jahr 1974, als ein amerikanischer Wirtschaftswissenschaftler die Zufriedenheit der US-Bevölkerung untersuchte – und dabei entdeckte, dass die Menschen trotz eines dreimal so hohen Einkommens nicht glücklicher waren als nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs.

Später schienen auch andere Studien diesen Zusammenhang zu bestätigen und lieferten zudem Erklärungen für den fehlenden Glückszuwachs. Demnach ist die menschliche Psyche selbst Schuld daran – unter anderem, weil sie ständig den eigenen Status mit dem anderer vergleicht und nur dann zufrieden ist, wenn mindestens Gleichstand herrscht. Folglich muss jemand, der in einer insgesamt wohlhabenden Gesellschaft lebt, sehr viel Energie aufwenden, um andere zu überflügeln und auf diese Weise seine Zufriedenheit zu erhalten.

Zusätzlich gibt es eine Art psychohygienische Schutzvorrichtung, die starke emotionale Reaktionen dämpft, sei es nun übermäßige Freude oder überwältigender Kummer. Das hat laut einer Studie zum Beispiel zur Folge, dass sich Querschnittsgelähmte ein halbes Jahr nach ihrer Verletzung etwa genauso zufrieden fühlen wie Lottogewinner sechs Monate nach ihrem Gewinn.

Trotzdem lässt sich die Theorie heute nicht mehr uneingeschränkt halten. Dagegen sprechen beispielsweise Daten aus der "World Database of Happiness", die Ruut Veenhoven von der Universität Rotterdam aufgebaut hat und die im Moment 3.000 Studien aus 68 Ländern umfasst. Auch die Ergebnisse repräsentativer Umfragen aus insgesamt 91 Ländern, die zwei Drittel der Weltbevölkerung abdecken. Sie zeigen eindeutig: Mit dem Wohlstand steigt auch die Zufriedenheit der Bevölkerung. Am deutlichsten ist das in ärmeren Ländern zu sehen, aber auch in den Industrienationen ist der statistische Glücksquotient innerhalb der vergangenen 30 Jahre noch messbar angestiegen – was nicht hätte passieren dürfen, wäre lediglich der relative Wohlstand entscheidend, denn das Verhältnis zum Einkommen der Mitmenschen blieb meist ziemlich konstant.

Natürlich heißt das nicht unbedingt, dass es allein der Reichtum ist, der das Glückgefühl der Menschen steigert. Es könnten auch Erfahrungen und Bedingungen sein, die mit steigendem Wohlstand Einzug in das tägliche Leben halten. Einige dieser Faktoren lassen sich aus Veenhovens Datenbank herauslesen, berichtet "bild der wissenschaft". Freiheit gehört beispielsweise dazu, sowohl die persönliche als auch die wirtschaftliche. Auch Demokratie macht glücklich, ebenso wie ein interessanter, verantwortungsvoller Beruf, in dem man die Chance hat, viele Dinge selbst zu bestimmen. Und auch einfache Dinge steigern das persönliche Glück –Veenhoven hat etwa einen Zusammenhang zwischen der Lebenszufriedenheit und dem Genuss von einem bis zwei Gläsern Wein pro Tag in den Daten gefunden.

Noch eines kristallisiert sich immer klarer heraus: Glück ist nicht planbar. Selbst wenn die Menschen genau zu wissen meinen, was sie glücklich macht – haben sie das erst einmal erreicht, ist das Glücksgefühl allzu oft sehr viel weniger intensiv und dauerhaft, als sie es zuvor erwartet hatten. "Miswanting" nennen Glücksforscher dieses Phänomen. Es findet sich bei alltäglichen Erlebnissen wie dem Sieg der bevorzugten Fußballmannschaft ebenso wie bei den großen Wünschen im Leben, beispielsweise dem Verlangen nach einem Kind oder dem Wunsch, eine Ehe einzugehen. Ist der ersehnte Nachwuchs dann jedoch auf der Welt, verringert sich gleichzeitig in fast 80 Prozent der Fälle das Glück in der Partnerschaft, zeigt eine Studie der Universität Bozen. Und in einer Ehe sind wohl hauptsächlich die Menschen glücklich, die es schon vorher waren. Denn im Schnitt, das legen die Daten nahe, ist die Zufriedenheit Verheirateter schon wenige Jahre nach der Hochzeit wieder so, wie sie vor dem Schritt vor den Traualtar war.

Rolf Degen: "Zwei Gläser auf das Glück!"
bild der wissenschaft 02/2008, S. 20

wissenschaft.de - Ilka Lehnen-Beyel


Auch junge Wilde werden älter

Meldung vom 28.01.2008 - Bevölkerungspyramide wird sich in den Schwellenländern umkehren

Auch islamischen Ländern wie dem Irak, Pakistan und Saudi-Arabien steht in den nächsten zwei bis drei Jahrzehnten ein starker demografischer Wandel bevor: Wo heute noch ein massiver Überschuss junger Menschen zu verzeichnen ist und in der Folge Arbeitslosigkeit und Frustration um sich greifen, werden ähnliche demografische Verhältnisse wie heute in Westeuropa einkehren. Das sagen amerikanische Wissenschaftler um Mark Haas von der Duquesne-Universität in Pittsburgh anhand von Berechnungen der Bevölkerungsentwicklung voraus. Der Übergang könnte mit einem wirtschaftlichen Aufschwung einhergehen und den betroffenen Ländern mehr Sicherheit und politische Stabilität geben.

Ein übermäßig großer Anteil junger, frustrierter Menschen gilt als Nährboden für Kriminalität, Gewalt, politische Instabilität und religiösen Fundamentalismus. Doch das Problem mit dem Überschuss junger, meist arbeitsloser Männer und Frauen wird die Bevölkerungsentwicklung in vielen Ländern von selbst lösen, prognostizieren Haas und seine Kollegen: Nicht nur in den islamischen Ländern werden die Gesellschaften künftig zunehmend von älteren Menschen geprägt sein, sondern auch in China und Russland – ein Trend, der in westeuropäischen Ländern wie Großbritannien, Frankreich und Deutschland längst angekommen ist.

So wird beispielsweise in Russland der Anteil der Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter zwischen 15 und 64 Jahren bis 2050 um 34 Prozent sinken, da heute bereits die Bevölkerungszahl um 700.000 Menschen pro Jahr zurückgeht. In China wird das Durchschnittsalter der Bevölkerung auf 45 Jahre ansteigen. Die Regierungen werden sich daher auf ähnliche demografische Probleme einzustellen haben wie heute die westlichen Länder, in denen immer weniger arbeitende Menschen immer mehr Rentner und Ruheständler zu versorgen haben.

Allein für die USA sagen die Bevölkerungswissenschaftler eine vergleichsweise ausgewogene Bevölkerungsverteilung voraus. Bis zum Jahr 2050 wird der Anteil der arbeitenden Bevölkerung in den USA sogar noch ansteigen. Das Durchschnittsalter der Amerikaner wird dann im Vergleich mit allen anderen Industrienationen zu den niedrigsten gehören, erklären die Forscher.

Mark Haas (Duquesne-Universität, Pittsburgh) et al.: Public Policy & Aging Report, Band. 17, Nr. 4

wissenschaft.de – Ulrich Dewald


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